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Jahrestagung des Buchführungsverbandes – Leitthema: "Der Mensch im Mittelpunkt – Spannungsfeld Unternehmer, Mitarbeiter, Familie"

Stand:
Thematik: Betriebswirtschaft

Landwirtschaftliche Unternehmerfamilien und Mitarbeiter stehen aufgrund betrieblichen Wachstums, Strukturwandel, Preisvolatilität, Digitalisierung, Klimaveränderung, steigenden Anforderungen der Verbraucher und Bevölkerung einerseits sowie Zeitmangel, Überlastung, Konflikten und Führungsverantwortung andererseits immer stärker unter Druck. Wer sich hierbei überfordert, läuft Gefahr, den Betrieb, seine Familie und sich selbst aufs Spiel zu setzen. Gründe genug für den Landwirtschaftlichen Buchführungsverband, die Bedeutung der sogenannten weichen Faktoren für die Betriebsführung in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Jahrestagung zu stellen. Mehr als 400 Gäste verfolgten gespannt die Veranstaltung am 17. Januar in Neumünster und nutzten die Gelegenheit zum regen Austausch.

Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck riet in seinem Grußwort dazu, angesichts schlechten Wetters, überlaufender Güllebehälter und Schweinepest nicht in Panik zu verfallen, sondern vernünftig zu agieren. Wenn zum Beispiel ALDI ankündigt, zukünftig Produkte, die unter Einsatz von Glyphosat erzeugt wurden, auszulisten, darf die Politik die Bauern nicht alleinlassen. "Die Zeit ist reif für einen neuen Gesellschaftsvertrag im Miteinander statt im Gegeneinander. Wenn wir den Konsens zwischen Verbrauchern und Landwirten nicht hinbekommen, wie wollen wir dann die großen, drängenden gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit bewältigen?“ so Habeck. Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, verwies in seinem Grußwort auf die enormen Betriebsentwicklungen im Osten. “Was das in Zukunft für den Generationswechsel bedeutet, lässt sich besonders bei den Personengesellschaften nachvollziehen, wenn einer der Gesellschafter ausscheidet!“ Es stellt die junge Nachfolgegeneration vor eine schier unlösbare Aufgabe, die Forderungen des Altgesellschafters zu erfüllen, was oft zum Verkauf ganzer Betriebe führt. Die gesamte Branche steht vor großen Umbrüchen, die einen gesamtgesellschaftlichen Plan erfordert.

 

Kennzahlen kennen und kontrollieren

Karl Heinz Mann von der Ländlichen Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft LBB aus Göttingen und laut Moderator Prof. Dr. Martin Braatz „eine feste Größe in der landwirtschaftlichen Beratung seit 40 Jahren“ hob in seinem Eingangsvortrag auf den Erfolgsfaktor Mensch ab. Der inflationsbereinigte reale Weltmarktpreis für Getreide ist binnen 20 Jahren um ein Drittel auf 150 Euro pro Tonne gesunken, während sich die Flächenkosten mit über 400 Euro pro Hektar mehr als verdoppelt hätten. Nur den 25 Prozent besseren Betrieben ist es gelungen, Flächen zuzukaufen und Kredite abzulösen, während in der überwiegenden Zahl der Betriebe die Wirtschaftsergebnisse gerade einmal zur Deckung der Lebenshaltungskosten ausreichen. Ein landwirtschaftlicher Unternehmer definiert Arbeit als Grundlage für Erfolg und Befriedigung, indem er Überschüsse reinvestiert, den Betrieb wettbewerbsfähig hält und ständig die dafür notwendigen Änderungen vornimmt. Erfolgreiche Unternehmer meistern auch schwierige Situationen, für sie sind Kostenplanung und -kontrolle selbstverständlich und die Unternehmensziele sind geklärt.

Laut Mann sind heute die Mitarbeiter vieler Betriebe überaltert und der Markt für gute Kräfte leergefegt. Die künftigen Mitarbeiter selbst auszubilden und an den Betrieb zu binden, wäre ein Ausweg aus dem Dilemma. Grundsätzlich ist auf eine leistungsgerechte Bezahlung der Mitarbeiter zu achten. Auch ist klar und eindeutig sowie regelmäßig und respektvoll miteinander zu sprechen, um die Erwartungen und Ziele abzugleichen. Das unmittelbare Danken ist Motivation. "Nichts geht über die persönliche Anerkennung." Wenn einmal ein Fehler vorkommt, ist die WSSV-Frage „Was schlagen Sie vor?“ hilfreicher als ein „Warum …?“. Mit der Frage nach dem Warum sieht sich der Mitarbeiter in einer Rechtfertigungsfalle, die statt zur Einsicht dazu führt, dass sich Fehler eher verfestigen.

Durch Rationalisierung frei werdende Zeit sollte verstärkt privat genutzt werden. Um Rückhalt in der gesamten Familie zu erhalten, muss sie in die wesentlichen Unternehmensentscheidungen einbezogen sein. Die nachfolgende Generation zur Eigenverantwortung zu erziehen, ihr Entwicklungen und Erfahrungen außerhalb des eigenen Betriebes zu ermöglichen und rechtzeitig die Betriebsübergabe zu vollziehen, ist die beste Investition in die Zukunft. Eine gute Lebensbalance, um Arbeit, Gesundheit und soziales Umfeld in Einklang zu bringen, beugt dem Burnout, einer Scheidung oder anderen persönlichen Krisen vor, die allesamt auch in der Landwirtschaft bedrohlich zunehmen.

 

Fachforum Unternehmensführung

Nach Überzeugung von Enno Karstens, Fachbereichsleiter der betriebswirtschaftlichen Beratung der Landwirtschaftskammer, bleiben die Schlüsselfaktoren, wie Effizienz, Unternehmens- und Mitarbeiterführung, sowie die strategische Ausrichtung des Unternehmens weiterhin bedeutungsvoll. Sich an den Besten zu orientieren und weiter fortzubilden, ist dabei hilfreich. Die Verantwortung für Familie und Mitarbeiter rückt zunehmend in den Fokus, wobei auch Fragen nach dem Sinn, der Wirksamkeit und der Nachhaltigkeit zu beantworten sind. Neben dem Können sind Ideen, Innovationskraft und Kreativität gefragt. Den Unternehmer bei Veränderungsund Entscheidungsprozessen hilfreich zu begleiten und in Fragen, wie Mitarbeiter geführt werden, mit einem Coaching zu unterstützen, das auch die Konfliktbearbeitung umfasst, wird zunehmend Teil der Beraterfunktion.

Dr. Sabine Paasche, systemischer Businesscoach aus Magdeburg, hat Entscheidungsprozesse in Unternehmen analysiert. Das Geheimnis guten Entscheidens besteht darin, Bauch und Verstand gemeinsam „mitreden“ zu lassen. Ihr Rat ist, seiner Erfahrung und Intuition zu trauen und sich bei komplexen Entscheidungen helfen zu lassen, dabei Stress zu vermeiden, um bewusst unternehmerische Risiken einzugehen zu können. "Macht eine Entscheidung noch Sinn, nachdem sie durchgerechnet wurde? Fühlt es sich gut an und motiviert sie dazu, sie auch umzusetzen? Passt sie zu den eigenen Fähigkeiten, Wünschen, Träumen?" Wenn diese Fragen bejaht werden können, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gute Entscheidung, ist Paasche überzeugt. Torsten Müller, Treurat + Partner Unternehmensberatung, erklärte, wie man vom Chef zum Coach wird, um seine Mitarbeiter gezielt zu unterstützen. "Die Zufriedenheit ist das Schmieröl im Getriebe des Unternehmens", so Müller. Ein Chef führt, gibt eine Hierarchie vor, kontrolliert und weist an. Dieser Motivation von außen folgt die nach innen, die für die Mitarbeiterbindung erfolgreich ist. Als Coach fördert die Unternehmerperson die Mitarbeiter, überträgt ihnen Verantwortung und stellt ihre Stärken heraus.

 

Fachforum Arbeitsorganisation

Bastian Bornholdt, RSH Neumünster, hob hervor, dass mit steigenden Kuhzahlen in wachsenden Betrieben immer mehr angestellte Arbeitskräfte benötigt werden, deren Aufgaben und Zuständigkeiten klar geregelt sein sollten. Braucht ein Betrieb zum Beispiel einen Herdenmanager mit Führungsverantwortung oder reicht ein „Herdsman", der nur am Tier arbeitet aus? Eine klare Arbeitsplatzbeschreibung hilft in solchen Fällen. Nur eine strukturierte Arbeitsorganisation schafft geregelte Arbeitszeiten und klare Aufgabenteilung. Gespräche mit Mitarbeitern fördern deren eigenständiges Arbeiten und Motivation gemäß dem Motto: Arbeite an dem Unternehmen, nicht nur in ihm!

Rainer Carstens zeigte am Beispiel seines eigenen Unternehmens Westhof Biogemüse in Friedrichsgabekoog, das er 1978 übernommen und 1989 auf die Erzeugung von Bioprodukten umgestellt hat, wie ein geschlossenes System an Gemüseproduktion auf dem Feld und unter Glas zu einer Erfolgsstory eines Familienunternehmens werden kann. Die Entwicklungsperspektiven erschienen seinen vier Kindern so gut, dass alle heute in den verschiedenen Unternehmensbereichen eigenverantwortlich tätig sind. Mehr als 30.000 Tonnen Gemüse inklusive Zukauf werden jährlich verarbeitet und über den eigenen Biohandel vermarktet, 10.000 Tonnen gehen in die betriebseigene Biofrosterei. Aussortiertes Gemüse wird über die hofeigene Biogasanlage verwertet. Die Abwärme wird in der Frosterei, das Kohlendioxid in den eigenen Gewächshäusern und die Gärreste als Düngemittel für die Ackerflächen genutzt. Ein aktuelles Projekt befasst sich damit, künftig Roboter zum Unkrautjäten einzusetzen. Das funktioniert alles natürlich nur mit guten Mitarbeitern, deren Zahl während der Saison im ganzen Unternehmen ungefähr 200 beträgt und deren Einsatz koordiniert werden muss.

Welchen Beitrag Smartphones und Tablets bei der Arbeitsorganisation leisten können, erklärte Dr. Johann- Christoph Meyer zu Bentrup, LBG Bioenergie Glasin. In dem Großbetrieb mit sieben Betriebszweigen wird eine spezielle Software als Entscheidungsgrundlage für das Management eingesetzt, die alle wesentlichen anfallenden Daten auf individuell definierbare Kennzahlen verdichtet. Die Daten werden unmittelbar am Ort der Entstehung und nicht erst im Nachgang erhoben. Die erfassten Informationen fließen in eine zentrale Datenbank, in der auch die Kennzahlen zum Warenbestand und aus der Buchführung vorgehalten werden. Dadurch werden Abstimmungsfehler vermieden und die benötigten Informationen werden schnell gefunden. Die Datenbank liefert maßgebliche Entscheidungsgrundlagen für die tägliche Arbeitsorganisation und für Investitionen. Eine ständige Datenverfügbarkeit und übersichtliche Datenaufbereitung, die auch ältere Mitarbeiter sehr zu schätzen wissen, verbessert und beschleunigt die Entscheidungsprozesse

 

Fachforum Recht und Steuern

Der Justiziar und stellvertretende Generalsekretär des Bauernverbandes Michael Müller-Ruchholtz empfahl mit Nachdruck, Arbeitsverträge schriftlich abzufassen, in denen Rahmenbedingungen wie Probezeit, eventuelle Befristung des Arbeitsverhältnisses, Kündigungsfristen sowie Urlaubsansprüche, Arbeitszeiten und Überstundenvergütungen geregelt sind. Wenn es einmal zu arbeitsgerichtlichen Verfahren kommen sollte, sind Arbeitgeber mit schriftlichen Arbeitsverträgen auf der sicheren Seite.

Auch Steuerberater Erwin Hack vom Landwirtschaftlichen Buchführungsverband betonte, dass klare Abmachungen, insbesondere bei kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, unerlässlich sind. Er machte unter anderem auf die Fallstricke in der Sozialversicherung aufmerksam und veranschaulichte die Zeitgrenzen und Modalitäten, die bei Erntehelfern und Minijobbern in der Landwirtschaft einzuhalten sind.

Steuerberaterin Denise Scholl vom Buchführungsverband stellte mit ihrem Vortrag "Mehr Netto vom Brutto" verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Gewährung von Sachentlohnungen vor, die ein Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer nutzen kann. Hierunter fallen zum Beispiel die Überlassung von Diensthandys, Tankgutscheinen, Kindergarten- oder Fahrtkostenzuschüssen. Sie gab aber zu bedenken, dass Sachzuwendungen kurzfristig zwar mehr Geld in die Kasse der Arbeitnehmer bringen – eben mehr Netto vom Brutto, sich aber oftmals nicht positiv auf deren spätere Rentenansprüche auswirken.