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Jahrestagung mit Top-Thema – Ein Jahr nach der Quote: Milchproduktion unter neuen Wettbewerbsbedingungen

Stand:
Thematik: Betriebswirtschaft

Wie geht es den Milchbauern nach dem Wegfall der Milchquote, war das Leitthema der zentralen Jahrestagung des Landwirtschaftlichen Buchführungsverbandes am 26. Januar in Neumünster. Unter der Moderation von Dietrich Holler, Leiter der Abteilung Kommunikation bei der DLG e.V., trugen fünf Referenten ihre persönlichen Erfahrungen und Anregung dazu vor, die von den 500 Gästen aufmerksam aufgenommen wurden.

 

Milchproduktion im Wandel: Worauf müssen sich die Erzeuger einstellen?

Im ersten Vortrag der Tagung stellte Udo Folgart, der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes, zunächst eine trübe Prognose: „Die Perspektive für den Milchmarkt bleibt unklar.“ Als Hauptursachen für die aktuelle schwierige Milchmarktlage machte Folgart mehrere Faktoren aus: China zeige Kaufzurückhaltung wegen dortiger Lagerbestände. Zudem drücke der niedrige Erdölpreis auf die arabische Nachfrage. Auch das Russlandembargo wirke als Preisbremse und ließe den Milchpreis um etwa 4 Ct/kg sinken. Derzeit würde Weißrussland – anstelle der EU - den russischen Markt mit qualitativ schlechteren, aber teureren Produkten bedienen. Gute klimatische Produktionsbedingungen haben zusätzlich in allen wichtigen Erzeugerländern weltweit zu einem stabil hohen Angebot geführt.

Jedoch sei es für die Landwirte unzumutbar, die Folgen der derzeitigen Absatzkrise allein zu schultern. „Die Milchbauern brauchen schnelle Hilfe gegen die akuten Liquiditätsengpässe“, forderte Folgart. Seitens des Staates kämen dafür unter anderem ein Finanzausgleich zum Russlandembargo, vergünstigte Kredite und ein steuerneutraler Risikoausgleich in Betracht. Um die Position deutscher Produzenten auf dem internationalen Milchmarkt zu stabilisieren, brauche es außerdem politische Unterstützung bei Exportaktivitäten, eine moderate Erhöhung des Milchinterventionspreises und eine Förderung privater Lagerhaltung. Liefermengen, Vertragsdauer und Preise müssten zwischen den Marktpartnern neu ausgestaltet werden. Auch der Lebensmitteleinzelhandel müsse seine Niedrigpreisstrategie für Milch überdenken.

„Der Markt kann sich nur erholen, wenn sich auf der Nachfrageseite etwas tut“, fasste Folgart zusammen und verwies auf die Schwellenländer Afrikas, Asiens und Südamerikas. In ihrem Bevölkerungswachstum läge Nachfragepotenzial. Auch Produktinnovationen und -differenzierungen könnten die Nachfrage ankurbeln. Dafür wären entsprechende Vermarktungsstrukturen notwendig.

 

Mengensteuerung ohne Quote: Wie agieren die Meiereien?

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Milchkontors (DMK) Thomas Stürtz legte in seinem Vortrag besonderes Gewicht auf die Rolle der milchverarbeitenden Industrie. Für ihn, selbst Milcherzeuger, mache die nachlassende Binnenmarktnachfrage bei gleichzeitig steigender Angebotsmenge eine leistungsstarke, exportorientierte Milchindustrie notwendig. „Internationalisierung stärkt das Milchgeld zuhause“, betonte Stürtz. Das DMK werde daher die Produktpalette ausweiten, neue Spezialprodukte entwickeln und versuchen, schwankende Absatzmärkte über unterschiedliche Vertragslaufzeiten und eine Börsenabsicherung abzufedern. Um auf diese Weise exportorientiert zu wachsen, habe das DMK 500 Millionen EUR investiert. Auf die Frage, ob weitere Fusionen geplant seien, antwortete Stürtz: „Machen wir es ähnlich wie der Lebensmitteleinzelhandel. In der Not rückt man zusammen.“ Um die Milchmarktkrise gemeinsam zu bewältigen, könnten, so Stürtz, Preismodelle und Vermarktungskontore stabilisierend wirken.

 

Milcherzeugung wirtschaftlich am Boden: Was ist zu tun?

Johannes Thomsen, landwirtschaftlicher Berater, berichtete, dass in den Futterbaubetrieben derzeit alle liquiden Mittel verbraucht seien. Die aktuelle Kurzauswertung des Buchführungsverbandes 2014/15 zeige für die ausgewerteten 788 spezialisierten Futterbaubetriebe einen dramatischen Gewinneinbruch mit bedrohlichen Eigenkapitalverlusten. Selbst die Gewinne der optimal wirtschaftenden Betriebe stammten in diesem Jahr zu 100 Prozent aus den Agrarprämien. Bei den weniger erfolgreichen Betrieben bestehe momentan akuter Handlungsbedarf. Insbesondere optierende Betriebe, die investiert haben und meist deutlich gewachsen sind, warteten mit schlechten Ergebnissen auf.

Um diese Durststrecke zwischenzufinanzieren, so Thomsen, seien nun die Hausbanken gefordert.

Er kritisierte auch die zersplitterte Meiereistruktur in Schleswig-Holstein mit 16 Meiereien und Milchaufkäufern und deren ungünstiges Produktportfolio mit zu viel billigem Käse, Milchpulver und Versandmilch. Thomsen vermutete, dass sich durch eine versierte Unternehmenspolitik dort Reserven von 1,5 bis 2,0 Cent je kg Milch erschließen lassen könnten.

In der aktuellen Krise profitieren nicht so stark gewachsene Betriebe von geringeren Pacht- und Zinsbelastungen. Die Vollkostenauswertung der Rinderspezialberatung stellte zwischen 2004 und 2014 einen jährlichen Kostenanstieg von knapp 1 Cent je kg Milch fest. Die Faktorkosten waren nur in wenigen Jahren vollständig gedeckt. Im Mittel wäre hierfür 2014 ein Nettomilchgrundpreis von 36,7 Cent notwendig gewesen.

Futterkosten machten 80 Prozent der Direktkosten und circa 55 Prozent der Gesamtkosten aus. Sie zu senken, so Thomsen, habe weit vor den Kosten für Bestandsergänzung und Arbeitserledigung allererste Priorität. Um liquide zu bleiben, hieße es nun, große Investitionen zurückzustellen, die Maschinenlebensdauer zu strecken und mögliche Finanzreserven, die in für den Betrieb verzichtbaren Waldflächen, Immobilien oder Silagebestände stecken, aufzudecken. Auch lohne es sich, den Viehbestand nach unproduktiven Tieren zu durchforsten. Gegebenenfalls müssten auch Pachtpreise nachverhandelt werden. Wer weiter Milch erzeugen will, solle jetzt einen neuen Masterplan für die zukünftige Betriebsentwicklung erarbeiten.

 

Milchpreisschwankungen: Wie geht ein Praktiker damit um?

Aus der Praxis berichtete Söhnke Schlichtmann. Er ist Landwirt aus Oldendorf bei Stade und bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb mit 330 Kühen auf 220 ha Geestland, davon 91 ha Eigentum. 2015 hat Schlichtmann 3,45 Millionen kg Milch verkauft. Der Betrieb hat bisher konsequent auf Wachstum gesetzt durch kontinuierlichen Zukauf von Milchquote und Fläche. Die fünf Arbeitskräfte folgen einer klaren Aufgabenteilung mit festen Tagen für regelmäßig anfallende Arbeiten. Alle Erntearbeiten werden außerbetrieblich vergeben, auch die Nachzucht ist komplett ausgelagert. Bei Fütterung und Tiergesundheit werden systematisch die Zeit- und Kostenfresser ausgemacht. Der wöchentliche Herdencheck umfasst auch die Trockensubstanzaufnahme und -bestimmung der Ration; alles mit dem Ziel, viel Milch mit wenig Aufwand zu erzeugen und die Kühe gesund und fit zu halten. Quartalsmäßig ermittelt Schlichtmann den laufenden Geldbedarf oder -überschuss und fertigt jährlich eine Liquiditätsplanung für den Betrieb an, die er auch seiner Hausbank zur Verfügung stellt. Schlichtmann schließt seinen Vortrag mit dem Motto: „In guten Jahren die Tilgung anziehen, um Zeichen zu setzen und Freiräume für den Betrieb zu schaffen. In schlechten Jahren zeitig mit der Bank sprechen, bevor das Konto ins Minus geht!“

 

Wirtschaftlicher Stress in der Milcherzeugung: Lösungsansätze aus der Beraterpraxis

Torsten Müller, Mitarbeiter der Treurat & Partner GmbH, der auf Unternehmensberatung spezialisierte Tochtergesellschaft des Buchführungsverbandes, riet Landwirten schließlich in seinem Vortrag: Statt mit Ohnmacht, Schuldzuweisungen und Überlastungszuständen zu reagieren, sei es besser, ins Handeln zu kommen und sich mittels einer Situationsanalyse einen Überblick zu verschaffen. Er empfahl, Maßnahmen zu ergreifen, umzusetzen und sich Verbündete zu suchen, die einem zur Seite stehen. Wenn drastische Schritte bis hin zu einem möglichen Betriebsausstieg unvermeidbar seien, lohne es sich, den geschulten Blick von außen zu holen. Wer rechtzeitig die Hausbank einbinde, laufe nicht Gefahr, nur noch reagieren zu können, statt zu agieren. Hierfür nachvollziehbare und plausible Unterlagen verfügbar zu haben, erleichtere außerdem den Klärungs- und Entscheidungsprozess.