Aktuelle Nachrichten

Landwirtschaftliche Alterskasse – Hofabgabe als Voraussetzung für Altersrente verfassungswidrig

Stand:
Thematik: Recht

Landwirte haben nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nur dann einen Anspruch auf Altersrente, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht, die Wartezeit von fünfzehn Jahren erfüllt und ihren landwirtschaft lichen Betrieb abgegeben haben.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss aus Mai 2018 festgestellt, dass die Hofabgabeklausel gegen die Grundrechte auf Eigentumsfreiheit und auf Schutz von Ehe und Familie verstößt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung aufgefordert. Das BVerfG stellt in dem Beschluss zunächst allgemein fest, dass die mit der Hofabgabeklausel verfolgten agrarstrukturellen Ziele legitim sind. So bezweckt der Gesetzgeber mit der Regelung eine frühzeitige Hofabgabe an Jüngere sowie eine Verbesserung der Betriebsstruktur, indem größere Entwicklungschancen für Wachstumsbetriebe geschaff en werden. Das BVerfG unterscheidet bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Hofabgabeklausel zwei Zeiträume:

Für Zeiträume vor 2016 ist die Hofabgabeklausel lediglich in den folgenden Konstellationen verfassungswidrig: Findet der Landwirt keinen zur Hofübernahme bereiten Nachfolger, führte dies bisher dazu, dass er keine Altersrente beziehen kann und für die unter Umständen jahrzehntelang geleisteten Alterskassenbeiträge keine Gegenleistung erhält, die von ihm geleisteten Beiträge also verloren gehen. Der Landwirt könnte in diesen Fällen die Hofabgabe nur in einer Form durchführen, die nicht mit einer Einkünft eerzielung verbunden ist, etwa der Flächenstilllegung. Ein Härtefall liegt auch dann vor, wenn eine Hofabgabe nur zu einem Kauf- oder Pachtpreis möglich wäre, der unter dem Marktpreis liegt, und der Landwirt dadurch gezwungen würde, zur Bestreitung seines Lebensunterhalts andere Finanzquellen für das Alter aufzugeben oder zu reduzieren.

In einem weiteren Verfahren zur Rechtslage vor 2016 hatte eine Landwirts-Ehefrau geklagt, deren Ehemann bereits die Regelaltersgrenze erreicht und den Hof noch nicht abgegeben hatte. Auch dieser Rentenantrag wurde von der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung abgelehnt. Nach der Entscheidung des BVerfG darf die Gewährung der Rente an die Landwirts-Ehefrau nicht von der Entscheidung des Ehemanns über die Abgabe des Hofes abhängig gemacht werden.

Das BVerfG hat des Weiteren festgestellt, dass die Hofabgabeklausel seit der letzten Gesetzesänderung zum 1. Januar 2016 insgesamt verfassungswidrig ist, weil nur noch eine Minderheit der Landwirte von dieser Regelung tatsächlich betroff en ist. Denn seit 2016 ist es nach dem ALG auch zulässig, dass Landwirte ihren Hof an ihren Ehegatten abgeben und danach zeitlich unbefristet Rente beziehen. Diese Regelung ist insbesondere dann vorteilhaft , wenn der übernehmende Ehegatte von der Versicherungspfl icht in der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) befreit ist und dadurch das Unternehmen zeitlich unbefristet ohne wirtschaft liche Nachteile weiter bewirtschaft en kann. Von der Hofabgabeklausel in der aktuellen Fassung sind aufgrund dieser Regelung in der Praxis im Wesentlichen nur noch alleinstehende Landwirte sowie Betriebsleiterehepaare, die beide versicherungspfl ichtig sind, betroff en.

Das BVerfG hat den Gesetzgeber aufgefordert, die in den verschiedenen Beschlüssen aufgezeigte Verfassungswidrigkeit zu beheben. Der Gesetzgeber hat nun die Möglichkeit, eine neue Hofabgabeklausel nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zu schaff en. Hierzu müssten angemessene Härtefallregelungen getroff en und gegebenenfalls auch die Hofabgabe unter Ehegatten teilweise neu geregelt werden. Alternativ könnte die Hofabgaberegelung auch komplett abgeschafft werden. Derzeit ist noch nicht absehbar, wie der Gesetzgeber reagieren wird, ob und gegebenenfalls in welcher Form es rückwirkende Änderungen geben wird und wann mit einer Neuregelung zu rechnen ist.

Nach einer aktuellen Pressemitteilung aus August 2018 können von der LAK in allen von der Hofabgabeklausel betroff enen Fällen bis auf Weiteres keine Entscheidungen über die Altersrentenanträge getroff en werden. Die LAK muss aufgrund der Beschlüsse des BVerfG daher zunächst abwarten, wie sich der Gesetzgeber entscheidet; dieses Vorgehen hat die zuständige Aufsichtsbehörde auf Nachfrage der LAK bestätigt. Rentenanträge sollten aber, so die LAK, unverändert gestellt werden, um nach Vorliegen einer Entscheidungsgrundlage eine spätere reibungslose Bearbeitung und rückwirkende Auszahlung zu ermöglichen.

Betroffene Landwirte sollten sich durch den Bauernverband oder einen Rechtsanwalt beraten lassen. Nach einer Übereinkunft mit der LAK bietet der Bauernverband sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern Rentenberatung im landwirtschaft lichen Bereich an.

 

 

Bildnachweis: ©bwahlers / 131829 /photocase.com